Wie die Zusammenarbeit zwischen Startups und Investoren zum Betrug anstiften kann.
Täglich werden in der Welt mehr als 500 Startups gegründet.
Das funktioniert, stark vereinfacht, folgendermaßen: Ein Initiator oder mehrere
Personen haben eine Idee, wie sie rasch das große Geld verdienen können. Was
groß bedeutet, hängt von den Erwartungen des Investors oder der Initiatoren ab.
Am Anfang steht eine Idee. Ein Initiator oder mehrere
Personen entwickeln daraus ein Geschäftsmodell, mit dem sie Investoren
überzeugen können, dass sie mit der Finanzierung des Projekts viel Geld
verdienen können. Viel Geld bedeutet Sicherheit, dass der Finanzier sein Geld
nicht verliert, höchstmögliche Zinsen verdient und einen relativ hohen
Risikozuschlag auf das eingesetzte Kapital erhält.
Mit der Idee allein wird noch kein Geld eingesammelt.
Erforderlich ist ein Modell, aus dem hervorgeht, dass mit dieser Geschäftsidee
viel Geld zu verdienen ist, je mehr umso besser.
Dazu ein Beispiel: Ein Unternehmer aus New York, der bereits
schon zweimal mit negativem Erfolg ein Startup ins Leben gerufen hat, wagt
einen dritten Anlauf. Der Vierzigjährige ist zwar nicht mehr der Jüngste in der
Startup-Szene, wurde aber bald als der erfolgreichste Unternehmer und Genie
gefeiert. Er entwickelte folgende Geschäftsidee: Ein Unternehmen, genannt
WeWork mietet Büroimmobilien langfristig an, renoviert diese und richtet sie in
einem modernen Coworkingstil ein. Es werden kleine Büros oder nur einzelne
Schreibtische, bei Bedarf aber auch ganze Etagen an Freiberufler oder
Unternehmer weiter vermietet. So arbeiten beispielsweise Konzerne wie Merck oder
American Express in San Francisco in WeWork Workspaces. Am Time Square in New
York mietet WeWork für 58 US Dollar pro Quadratmeter Büroflächen an und
vermietet diese für 160 US Dollar.
Gestartet wurde das Unternehmen im Juli 2008 unter dem Namen
Green Desk und war mit seinem
Geschäftsmodell schnell erfolgreich. Das Unternehmen Green Desk konnte an den
Vermieter der Geschäftsräume, dessen Haus zum Teil leer stand, zu einem relativ
hohen Preis veräußert werden, der sich weniger am Substanzwert sondern an dem
spekulativen Ertragswert orientierte. Mit dem Verkaufserlös wurde das
Unternehmen WeWork gestartet. Dessen Aufstieg bzw. rasche Expansion wurde
finanziert über sieben Fundraising-Runden, die von J.P. Morgan unterstützt
worden waren und 1,4 Mrd. US Dollar eingesammeltes Risikokapital. Die
Investoren glaubten an den hohen Wert
des Unternehmens und der japanische Großinvestor Softbank stieg mit zwei Mrd.
Dollar bei dem Startup ein.
Die Gewinnerwartungen beliefen sich nicht auf zwei- oder
dreistellige Millionenbeträge sondern auf Milliarden US-Dollar. Im Jahre 2016
bewerteten bekannte Investoren wie Goldman Sachs oder Fidelity das Startup mit
16 Mrd. US-Dollar.
Der Traum vom großen Geld
Das Unternehmen besitzt mehr als 833 Spaces in 125 Staaten.
Auf der ganzen Welt zählte das Unternehmen in Jahre 2016 mehr als 50.000
Mitglieder, so nennt WeWork seine Kunden. Das ist beachtlich, denn immerhin
tummeln sich auf dem Markt zahlreiche Coworking Anbieter. Dem Initiator und
seinem Mitgründer gelang es, einen starken USP-Faktor aufzubauen: eine Art
kultigen Glauben an die WeWork-Gemeinschaft zu schaffen. So lockte er mit einer
Bier-Flatrate für seine Mieter und baute das Image auf, dass die Mitglieder
(sprich Kunden) in seinen Büros zusammenarbeiten bzw. sich gegenseitig helfen.
Der Glaube an die Gemeinschaft war ein wichtiges Erfolgsrezept von WeWork.
Im Grunde genommen ist das WeWork Konzept die Antwort auf
Platznot in vielen Großstädten. Zahlreiche Selbständige sowie kleine
Unternehmen, mitunter auch Auslandsniederlassungen von international agierenden
Konzernen, suchen in den Ballungsräumen nach bezahlbaren Büros. WeWork bietet
einen Lösungsansatz für dieses Problem und offeriert den Raumsuchenden einen
Platz zum Arbeiten.
Die Euphorie bei Anlegern und Banken war groß und es wurde
ein Börsengang als Krönung der Erfolgsgeschichte geplant. Mit 47 Milliarden
US-Dollar wurde Anfang 2019 die Firma bewertet. J.P. Morgan und Goldman Sachs,
die WeWork mit den Vorbereitungen für den Börsengang beauftragt hatte, sprachen
schon über einen Börsenwert von 63 bzw. 96 Milliarden US-Dollar.
Nur sechs Wochen nach Veröffentlichung des Börsenprospektes
war die Euphorie für das Startup verflogen. Der Report erwies sich für WeWork
als Desaster. Es wurde u.a. vorgerechnet, dass für jeden Dollar Umsatz WeWork
zwei Dollar ausgeben musste. Die hohe Bewertung von WeWork nach den strengen
US-amerikanischen Börsenregeln war nach Veröffentlichung des Börsenprospektes
in sich zusammengebrochen. Bei vielen potentiellen Anlegern wurde die Euphorie
von einer skeptischen Bewertung zurückgedrängt. Das Geschäftsmodell wurde als
nicht nachhaltig bewertet und die Schulden wurden als zu hoch eingestuft.
Als besonders problematisch erwies sich, wie und in welcher
Höhe der Initiator und Haupteigentümer sich an WeWork bereicherte. So wurde
bekannt, dass dieser selbst vier
Bürogebäude besaß, die er an WeWork vermietete, obwohl er den Kaufpreis für die
Immobile mit einem Darlehen, zu niedrigen Zinsen vom Firmenvermögen
finanzierte. Als befremdlich erwiesen sich auch die peinlichen Berichte im Wall
Street Journal und der Financial Times. Es wurde bekannt, dass sich der
Initiator beim geplanten Börsengang Aktien mit 20-fachem Stimmrecht gesichert
hatte, vom Aufsichtsrat nicht abgesetzt werden dürfte und im Falle des Todes
seiner Frau in der Tradition einer Monarchin den nächsten CEO selbst bestimmen
dürfte. Negativ vermerkt wurde auch, dass sich der Initiator auch „We“ als
Marke registrieren lies und für 6 Millionen US-Dollar am WeWork veräußerte.
Auch sein starker Alkohol- und Marihuana-Konsum wurde
thematisiert, obwohl er früher von den Investoren geflissentlich übersehen
wurde. Wichtig war lediglich, dass alle Beteiligten durch ihn zu Reichtum und
Wohlstand gelangen.
Das Vertrauen in seine Eignung als CEO der WeWork wurde des
Weiteren sehr stark erschüttert durch den Satz im Börsenprospekt: „Wenn wir mit dieser Rate weiter wachsen, werden
wir auf absehbare Zeit nicht in der Lage sein, profitabel zu arbeiten“.
Durch die negative Berichterstattung in der Fach- und
Tagespresse aufgeschreckt reiste der Initiator und Haupteigentümer in seinem
Privatjet zu zahlreichen Investoren, um diese noch persönlich von dem
Ertragswert von WeWork und seinen Führungsqualitäten zu überzeugen, jedoch ohne
Erfolg.
Er musste auf große Teile seiner Stimmrechte verzichten und
den Börsengang auf Jahresende verschieben. Die Leitung der WeWorking Company
wurde ihm entzogen und auch der Majorität an der Gesellschaft ging er
verlustig.
Zweifelsohne litt der Initiator von WeWork an der
systematisch fehlerhaften Neigung beim Wahrnehmen und Urteilen (genannt Dunning
–Kruger-Effekt) über die finanzielle Dimension und die Auswirkungen seines
Ausgabeverhaltens sowie der langfristigen Einnahmemöglichkeiten eines Startups.
Für Gründer und Investoren lassen sich drei Erkenntnisse aus
dem WeWork Debakel ziehen:
1. Abschiednehmen vom Hyperwachstum und
Blitzscaling
2. Mehr Aufsichtsrechte seitens der Investoren bei
Beteiligungen an Startups
3. In Zukunft stärker in Startups investieren, die
große Probleme z.B. im Zusammenhang mit dem Klimawandel lösen wollen, statt in
Delivery- oder Scooter-Apps
Sollte es nicht gelingen, über einen Börsengang bis Ende des
Jahres WeWork neues Geld in Höhe von ca. 3 Mrd. US-Dollar zu generieren, droht
im Januar 2020 der Konkurs des Unternehmens und eine Anzeige wegen Betrugs.
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